2012/07/15

La Passante - Maeve Brennan...


New York in den späten 1950-er und frühen 60-er Jahren ist vielen ein Begriff. Wenn nicht durch die Verfilmung von Truman Capote's 'Frühstück bei Tiffany', in dem auch die Stadt eine nicht unwesentliche Rolle spielt, so doch spätestens seit 'Mad Men'. Aufbruchsgeist ging einher mit dem Abbruch ganzer Straßenzüge und dem Errichten von Gebäuden, die das Stadtbild und die Silhouette der Stadt nachhaltig prägen sollten. Martin Gropius schuf das PanAm-Gebäude und mit dem Lincoln-Center und der Metropolitain Opera wurde der Kultur ein Tempel errichtet. Über die Heroik die mit dem Aufbruchsstimmung jener Zeit zusammenhängt wurden viele Bücher geschrieben, doch die treffendsten Beobachtungen machten die Menschen, die in jener Zeit lebten und die Stadt mit all ihren großen und kleinen Abenteuern erlebten.
Maeve Brennan war ein stille Beobachterin. Sie durchstreifte New York und beschrieb über fast 30 Jahre hinweg das Leben zwischen den immer höher werdenden Hochhäusern, die Idylle in den Parks und die Menschen in den Restaurants. Sie war eine 'Passante', die ähnlich wie Charles Baudelaire (Paris) und Franz Hessel (Berlin) ihre Stadt wahrnahm und mit scharfen Blick die kleinen Momente einfing. Ihre Kolumne 'Talk of the Town' erschien im New Yorker, für das auch Truman Capote schrieb. Ihre eigenen Schrulligkeit bestand darin, dass sie das Alltägliche zu schätzen wußte und besondere Vorkommnisse in der Umgebung eher als Störung des alltäglichen Flusses empfand. 


Beim durchstreifen meiner Stadt gut 50 Jahre, besser gesagt bei einem kleinen Spaziergang durch Mitte, entdeckte ich heute einen Buchladen auf der Brunnenstraße, der noch nicht allzu lange existiert. Vor knapp einem Jahr stand eine Anzeige im Brand Eins Magazin, wo ein Konzept für die Immobilie gesucht wurde; explizit ging es dem Hausbesitzer um eine Mischung aus Buchladen und Kaffee. Die Umsetzung kann man jetzt sehen, Ocelot hat da eine Heimat gefunden. Ich war neugierig, habe mich umgesehen und eben 'New York, New York' von Maeve Brennan entdeckt und gekauft.
Erschienen ist es bei Steidl, was auch eindeutig an der Gestaltung und der Haptik zu erkennen ist, denn nur wenige andere Verlage benutzen so schönes Papier, das man gerne anfasst. Der sich unter dem Schutzumschlg befindende Einband ist wahres Schmuckstück; unkelblauer, locker gewebter Batist wurde über rotes Papier gelegt, wodurch ein changierendes Violett ensteht. Das macht Bücher aus, das Äussere und das Innere sollten sich an Qualität ähneln. 
Auf dem Cover ist die Autorin selbst zu sehen, neben einem wachen Geist hatte sie auch noch Esprit und Eleganz. Oft erinnert man sich bei den Geschichten aber auch eine andere New Yorker Autorin, die, wenn auch fiktiv, nicht weniger scharf ihre Umgebung analysierte. Maeve Brennan und ihre Kolumne war hier und da wohl Vorbild für Carrie Bradshaw, die Heldin aus 'Sex and the City. Vor allem wenn man die ersten Staffeln der Serie betrachtet, lassen sich Parallelen erkennen. Nicht nur dass Maeve Brennan Taxis allen anderen Fortbewegungsmitteln vorzieht, auch Schuhe und zwischenmenschliche Beobachtungen spielen in ihren Texten eine Rollen, wenn auch letzteres noch in deutlich unschuldigerer Form als es später bei Miss Bradshaw der Fall war. 
Das Buch ist meine Empfehlung für einen verregneten Sonntag im Juli. Es ist eine Reise, ohne das man sich dafür aus dem Bett bewegen muss. Gleichzeitig bekommt man Lust auf eine Reise in die Stadt, die für die Autorin immer eine fremde Welt blieb.