2015/04/16

Buchtipp: Robin Givhan 'The Battle of Versailles'...

Am 29. November 1973 wurde die amerikanische Mode geboren. Das klingt nun etwas theatralisch, schließlich gab es schon vor diesem Datum Designer wie Claire McCardell oder Adrian, die einen amerikanischen Modestil prägten und durchaus betuchte Kundschaft hatten. Doch schielte bis zu eben jenem Novembertag alle Welt nach Paris und was dort gezeigt wurde fand seinen Weg in die amerikanischen Warenhäuser und in den Schrank amerikanischer Kundinnen. Nun beleuchtet die preisgekrönte Autorin Robin Givhan jenes Event, dass zum Befreiungsschlag wurde und den Grundstein für Karrieren legte.
Designer wie Oscar de la Renta oder Bill Blass waren Angestellte von Kaufhäusern, sie fertigten nach teuer eingekauften Vorlagen Kleider à la Dior, Balmain oder Jacques Fath. Ihre Namen tauchten nicht auf den Labels in den Kleidern auf, es stand dort so etwas wie 'Christian Dior for Bergdorf...' oder ähnliches. Designer waren Kopisten, die teure Vorlagen je nach Auftraggeber mehr oder weniger teuer kopierten und für den jeweiligen Markt und das entsprechende Preissegment herunterbrachen. Erst nach und nach, ab Mitte der 1960-er Jahre gelang es ihnen auch die eigenen Namen in den Modellen lesen zu können. Anne Klein, Halston oder Stephen Burrows entwickelten sogar einen eigenen Stil ganz frei von dem was Paris vorschlug, doch eher nur für einen kleinen Markt auf dem amerikanischen Kontinent ohne Beachtung in Europa.
Nun sind auch schon jene fünf Modemacher erwähnt, die sich nach Versailles aufmachten um ihren Platz im Modeolymp zu ergattern.  Zu verdanken haben sie ihren Erfolg Eleanor Lambert, die zusammen mit dem Kurator von Versailles Gerald Van der Kemp das Event als Fundraising-Veranstaltung für die Restaurierung des Schloßes initierte. Lambert organisierte bereits in New York Modenschauen und gesellschaftlich angesehen, mehr noch aber eine Wölfin, die für ihre Schützlinge zu kämpfen wußte. Hinzu kam noch Marie-Hélène de Rothschild, die für den Glanz sorgte und die richtigen Adressen in der Kartei hatte um dem Event den nötigen Glanz zu verleihen. Kein Wunder als das unter anderem Princess Grace de Monaco unter der Gästeschar war, die ein Who is Who der Zeit abbildete. 

Als Schlacht war Versailles nicht angelegt, eher als freundschaftliches Miteinander. Dies scheiterte aber allein schon innerhalb der amerikanischen Gruppe. Anne Klein war den anderen vieren zu sportlich und gar nicht künstlerisch, Halston hatte schon zu jenem Höhenflug angesetzt, der zu seinem späteren Scheitern führte und de la Renta wie Blass sahen sich eigentlich eher in der Tradition der Couture als in der amerikanischer Ready-to-Wear. Einzig Burrows ging die Sache entspannt an, schließlich war es eine Möglichkeit nach Europa zu kommen, Idole zu treffen und viel Spass zu haben. Und die geladenen Franzosen (Yves Saint Laurent, Pierre Cardin, Emanuel Ungaro,  Marc Bohan für Dior und Hubert de Givenchy) schienen eh über den Dingen zu stehen. 
Während die Franzosen kleine Vermögen ausgaben um ihre Mode zu inszenieren und ihren Teil der Show auf 2,5 Stunden dehnten standen dem auf amerikanischer Seite insgesamt 50.000 Dollar gegenüber, und knapp dreißig Minuten für alle fünf Designer zusammen. Viel Spielraum lies das nicht, trotzdem wurde die Nacht zum Erfolg und zum Grundstein für die Modeinszenierung der kommenden Jahrzehnte. Es gelang den Designern die Mode zu beleben, frisch und unerwartet waren die tanzenden Models. Vor allem zehn junge afro-amerikanische Frauen sorgten für Aufsehen und belebten den Laufsteg mit nie zu vor gesehener Frische und Grazie, die weit jenseits steifer Modepräsentation lag. Pat Cleveland, Benthann Hardison, Billie Blair, Jennifer Brice, Alva Chinn, Norma Jean Darden, Charlene Dash, Barbara Jackson, China Machado, Ramona Saunders und Amina Warsuma belebten die Kleider, die technisch keine Couture waren, aber für eine neue Mode und eine neue Art sich zu kleiden standen. 
Der Einfluss, den die Show hatte reichte bis in die frühen 90-er Jahre hinein. Diversität und Persönlichkeit waren das Modellideal und die Manie gipfelte in den Supermodelstars – Naomi, Claudia, Cindy, Christy etc. Mitte der 90-er Jahre waren dann plötzlich Mädchen gefragt, die eher als Kleiderständer fungierten und die Mode in den Vordergrund rückten. Givhan kritisiert durchaus die fehlende Unterschiedlichkeit, und sie ist nicht die Einzige. 
'The Battle of Versailles' war auch ein Kampf für Gleichberechtigung und Unterschiedlichkeit. In dieser einen Nacht wurden viele Stars geboren und die Mode aus den Fesseln der Couture befreit. Robin Givhan lässt ein Kapitel in der Modegeschichte wieder aufleben, dass auch für die Betrachtung der heutigen Mode wichtig ist. 

ISBN: 978-1-2500-5290-2
Preis: ca. 30€